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Resumen de Joan Maragalls Rezeption deutscher Literatur im Identitätsdiskurs der Moderne

Heidi Grünewald

  • Gegenstand der Dissertation ist die eingehende Beschäftigung des katalanischen Dichters Joan Maragall i Gorina (1860-1911) mit Goethe, Nietzsche und Novalis. Diese Rezeption prägt in großem Maße auch seine Überlegungen zu Fragen individueller und nationaler Identität und reflektiert insgesamt einen Prozess der Selbstfindung und Positionierung im Identitätsdiskurs der europäischen Moderne um 1900. Dementsprechend entfaltet Maragall einen Diskurs, der sich zum einen auf das kulturelle und gesellschaftspolitische Feld Kataloniens bezieht und zeitkritische Themen (Phänomen der Masse, Naturalismus- und Dekadenzkritik etc.) aufgreift, zum anderen aber auch Raum für Identitätsentwürfe schafft, die seine persönlichen Lebensprojektionen und sein Dichtungskonzept betreffen. Darüberhinaus impliziert sein Identitätsdiskurs eine zivilisationskritische Perspektive, da seine Reflexionen immer auch Aspekte der Menschheitsentwicklung allgemein berühren. – Die vorliegende Untersuchung erörtert Maragalls Lektüre deutscher Schriften nicht nur im Hinblick auf sein dichterisches Schaffen, sondern insgesamt als bestimmenden Faktor seiner intellektuellen Tätigkeit, und fragt nach Bedeutung und Funktion seiner produktiven Rezeption im kulturellen Neuerungsprozess Kataloniens. Die Arbeit fokussiert in diesem Zusammenhang sowohl die von Maragall rezipierten Primärtexte als auch seine Lektüre von Sekundärtexten (Rezensionen, Einleitungen, zeitgenössische Literaturkritik) zu deutschen Autoren und Werken, denen er vor allem in französischen Zeitschriften begegnete. Der Rückgriff auf diese Quellen erlaubt, Maragalls Identitätsdiskurs mit einem in der Maragall-Forschung bisher wenig beachteten intellektuellen Feld in Verbindung zu bringen. Dazu zählen einflussreiche Chronisten und Literaturkritiker der Epoche, die mit Nietzsche, Goethe und Novalis ihre eigenen weltanschaulichen Überzeugungen exponierten. Sie brachten Maragall nicht nur mit den irrationalen Strömungen einer neuen Spiritualität und dem zeitgenössischen Monismus, sondern auch mit dem Goethekult des Kaiserreichs in Berührung. – Dabei ist festzustellen, dass Maragalls Nietzsche-Rezeption, ungeachtet des viel zitierten Artikels von Ludwig Stein (Deutsche Rundschau, 1893), in großem Maße von den Nietzsche- Bildern der französischen Kritiker Henri Albert, Theodor de Wyzewa und Georges Valbert sowie von den Kommentaren des Zarathustra-Herausgebers Peter Gast (d.i. Heinrich Köselitz) beeinflusst wurde. Auch die von Maragall verfassten Artikel zu Goethe und Novalis tragen Spuren der zeitgenössischen Rezeption dieser Autoren: Einerseits bezieht sich Maragall auf den Goethe-Philologen Herman Grimm und den Nietzscheaner Heinrich von Stein, dessen Studie über Goethe und Schiller er besonders schätzte, andererseits zitiert er längere Textabschnitte aus Bruno Willes Einleitung zu Heinrich von Ofterdingen (1898). – Diese erweiterte Rezeptionsperspektive führt zu einer kritischen Betrachtung des direkten Vergleichs zwischen Maragall und den rezipierten Autoren (vgl. Titelformulierungen wie z.B. Maragall und Novalis), da dieses Verfahren Maragalls Rezeptionshabitus vorwiegend im Rahmen persönlicher Entwicklungsphasen fokussiert und den offensichtlichen Einfluss der Rezeptionstendenzen um 1900, insbesondere die thematischen Verschränkungen von Nietzsches Zarathustra, Goethes bzw. Emersons Persönlichkeitskult und Novalis’ Dichterimago, unberücksichtigt lässt. Diese spezifische Themenkonfiguration prägte jedoch auch Maragalls Vorstellungen von einem dem zwanzigsten Jahrhundert entsprechenden Katalonien, von einer dem Leben gehorchenden Literatur, sowie von einem ethisch und ästhetisch gelungenen Leben. – Die eigene Kultur diagnostiziert der katalanische Dichter im Spiegel des Fremden und Universalen. Seine entschiedene Hinwendung zu deutschen Autoren und sein großes Interesse an der deutschen Bildungkultur impliziert aber nicht uneingeschränkte Empathie. Aus der Perspektive des Mediterranen distanziert er sich von ausgeprägt deutschen Eigentümlichkeiten, bewundert allerdings die im Kaiserreich gewonnene Dimension kultureller Repräsentation. Als Intellektueller bemüht er sich, die katalanische Kultur an der Schwelle zum 20. Jahrhundert für ein neues Selbstverständnis zu öffnen und einer kosmopolitischen Dimension zuzuführen, genauso wie er versucht, im subtilen inneren Ich-Diskurs das Paradigma der Moderne zu durchleuchten und – ähnlich wie andere Zeitgenossen der europäischen Moderne – seine innere persönliche und poetische Bildung an Nietzsche, Goethe und Novalis auszurichten, um den Unbestimmtheiten des neuen Jahrhunderts sowie dem unaufhaltsamen materiellen Fortschritt mit einer entschiedenen geistigen Haltung begegnen zu können, denn der menschliche Fortschritt ist nach Maragall nur in der unendlichen Vergeistigung der Materie zu verorten. In seiner Dichtkunst treten Gefühl und Intuition (paraula viva) an die Stelle der ästhetischen Konstruktion.


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